27. December 2008

Teigtaschen statt Skiurlaub

Russland. Die traditionellen Neujahrsfeiern der Krisenjahreswende 2008/2009 geraten zur Billigvariante. Die Angestellten in Moskau werden dieses Jahr etwas bescheidener feiern.

Von Ulrich Heyden

MOSKAU In Russland ist immer noch alles anders. Zum Ende des Jahres gibt es keine Weihnachts-, sondern Neujahrsfeiern. Für die Kinder gibt es „Neujahrs-Märchen“ mit „Väterchen Frost“, – er sieht aus wie der Weihnachtsmann – und für die Angestellten in den Moskauer Büros gibt es ausgelassene Neujahrs-Betriebsfeiern. Auch dort taucht „Väterchen Frost“ in seinem roten Mantel auf, begleitet von „Snegurotschka“, dem Schneeflocken-Mädchen, das manchmal die Hüllen fallen lässt.

Früher wurde üppig gefeiert. Da wirbelten Dollar-Scheine durch die Luft oder es wurde auf dem Tisch getanzt. Die Unternehmen ordern gewöhnlich ganze Restaurants oder Festsäle in Hotels. Früher wurden bekannte Künstler eingeladen. Eine Neujahrs-Feier für 100 Mitarbeiter in einem Moskauer Restaurant ließ sich ein Unternehmen gerne schlappe 50 000 Euro kosten. Manchmal schickte der Chef auch die ganze Mannschaft zum Skilaufen ins Ausland.

Doch dieses Jahr müssen die Firmen sparen. Ein Drittel der Unternehmen hat die geplanten Feiern im Restaurant abgesagt, berichtet die „Komsomolskaja Prawda“. Stattdessen gibt es die Billig-Variante: Ein Glas Sek, „Sowjetskoje Schampanskoje“, am Arbeitsplatz. Im Internet tauschen die Büro-Arbeiter nun Tipps aus, wie es trotz der Einsparungen lustig wird. Blogger Segrio Possi schreibt, seine Abteilung habe sich nach der Arbeit zur Pelmeni-(Teigtaschen)-Produktion verabredet. Am nächsten Tag will man sich dann gemeinsam über die Traditions-Speise hermachen. Elvina berichtet, man habe selbst ein Büfett vorbereitet und Profis zum Schminken eingeladen. „Es gibt Musik und wir werden uns selbst in Stimmung bringen.“

Die krisengestählten Russen wollen sich das Feiern auf keinen Fall verderben lassen. Zu der Sylvester-Feier zu Hause gehören traditionsgemäß Geschenke und da der 31. Dezember der wichtigste Feiertag ist, ist man nicht knauserig. Dieses Jahr planen die Bürger angeblich sogar zwölf Prozent mehr für Geschenke auszugeben als letztes Jahr, berichtete die Zeitung „Moscow Times“. Die entsprechende Umfrage wurde allerdings schon Anfang Oktober gemacht, als die Finanzkrise noch nicht zu spüren war. Mehrere Finanzkrisen haben schon Sparguthaben vernichtet. Sparen lohnt also nicht, so die neueste russische Volksweisheit.

Weniger Geld ausgegeben wird jetzt allerdings beim Neujahrs-Urlaub, der sich bei der Moskauer Mittelschicht in den letzten Jahren fest eingebürgert hat. Die Charter-Flüge in das bei den Russen beliebte Urlaubs-Land Ägypten wurden zur Hälfte gestrichen, berichtete eine Vertreterin des Reiseveranstalters Capital Tour gegenüber der „Moscow Times“. Wer zuhause bleibt, hat jetzt nur noch einen Wunsch: Das es wenigstens richtig schneit. Im überhitzten Moskau liegt nämlich zurzeit noch nicht so richtig viel Schnee.

"Märkische Allgemeine"

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