10. September 2013

Achtungserfolg für Nawalny

Die Russen trauen ihren Politikern nicht

Ulrich Heyden, Moskau

Wahlen in Moskau werden ehrlicher. Dies ist wohl das wichtigste Resultat der Bürgermeister-Wahl in der Zwölf-Millionen-Metropole. Nach den Protestdemonstrationen wegen offensichtlicher Wahlmanipulationen bei der Duma-Wahl, bei denen 2011 bis zu 100000 Menschen auf die Straße gegangen waren, haben die Stadtverwaltung und offenbar auch der Kreml begriffen, dass ein übermäßiger Einsatz „administrativer Ressourcen“, also Manipulationen in den Wahllokalen und der Einsatz des staatlichen Fernsehens zugunsten des Amtsinhabers, bei den Wählern Misstrauen gegenüber den Politikern verstärken.

Die Macht hat sich bei diesen Wahlen im Gebrauch „administrativer Ressourcen“ etwas zurückgehalten.Und 51 Prozent für den Amtsinhaber sind immer noch gutes Ergebnis, worüber sich auch Bürgermeister in Westeuropa freuen würden.

Doch man sollte die Moskauer Wahl auch nicht überbewerten. Denn nur 33 Prozent der Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab. Die überwältigende Mehrheit der Wahlberechtigten blieb am Sonntag also zu Hause. Viele Menschen glauben nicht, dass sich in Russland durch Wahlen etwas ändert. Die Wähler, die erleben, wie Bildung und Gesundheitsversorgung allmählich kommerzialisiert werden, sind „in den Streik getreten“, sagte der Politologe Boris Kagarlitzki.

Doch dass fast ein Drittel der Wähler für den Oppositionellen Aleksej Nawalny stimmte, zeigt, dass in Russland Veränderungen bevorstehen. Die Kreml-Partei Einiges Russland, bisher die Hauptstütze Wladimir Putins, ist nicht mehr das beste Aushängeschild. Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin kandidierte deshalb sogar als „Unabhängiger“, und Putin hat schon im Mai 2011 die Volksfront als neue Organisation zum Machterhalt gegründet, der sich Verbände von Kriegsveteranen, Frauen, Pensionären, Unternehmern und Gewerkschaften angeschlossen haben.

In Russland ist einiges in Bewegung gekommen. Das Land steht wirtschaftlich und sozial vor schwierigen Zeiten. Die Wachstumsrate ist von sieben Prozent (2007) auf zwei Prozent (2013) gefallen und Wladimir Putin kündigte kürzlich an, Sozialausgaben müssten gekürzt werden. Die Kritik der Bürger wird dadurch weiter wachsen.

veröffentlicht in: Nordsee-Zeitung

Teilen in sozialen Netzwerken
Im Brennpunkt
Bücher
Foto