18. September 2009

Der Kreml freut sich still

US-Präsident Barack Obama hat den Anti-Raketenschirm auf Eis gelegt. Russische Experten glauben, dass die USA im Gegenzug Russlands Bereitschaft für harte Iran-Sanktionen erwarten.

MOSKAU. Die Verlautbarung, Obama werde den Raketen-Schirm in Polen und Tschechien nicht bauen, löste im Kreml zunächst keine Reaktionen aus. Dmitri Medwedew und Wladimir Putin schwiegen. Am Abend erst hat Präsident Dmitri Medwedew die Neuausrichtung der geplanten Raketenabwehr in Europa begrüßt.

Der Verzicht auf die Errichtung von Stützpunkten in Polen und Tschechien sei eine "verantwortungsvolle Entscheidung . Medwedew hatte Obama nach dessen Amtseinführung mit der Aufstellung von Iskander-Raketen in der Ostsee-Exklave Kaliningrad ge- droht. Das Außenministerium sprach von einem "positiven Schritt, der der Entwicklung der russisch-amerikanischen Beziehungen dient. Der russische Politologe Aleksej Arbatow meinte, Washington erwarte im Gegenzug die Bereitschaft zu harten Iran-Sanktionen.
Offenbar kommt jetzt erst einmal die Stunde der russischen Militär-Experten und Diplomaten, die den Schritt der USA analysieren. "Natürlich können wir jetzt einige Dinge aushandeln", meinte der Direktor des Zentrums für Analyse, Strategie und Technologie, Ruslan Puchow. "Wir können die Situation nutzen. Aber jetzt in Euphorie zu verfallen, nach dem Motto, die USA sind zurückgewichen, wäre verfrüht."
Die ersten Reaktionen der Moskauer Medien stimmen hoffnungsvoll. Russland will die neu entstandene Situation offenbar nicht zu einer rechthaberischen Machtdemonstration nutzen. "Es riecht nach Frühling", meinte der Kommentator des Fernsehkanals NTW. Wenn Obama Ernst mache, könne man von einem "aktiven Beginn des Neustarts" in den Beziehungen zwischen den USA und Russland sprechen, meinte der Leiter des Auswärtigen Ausschusses des russischen Föderationsrates, Michail Margelow. Dem Abgeordneten war sichtlich nicht nach Auftrumpfen gegenüber Washington zumute, als er nüchtern erklärte: "Ein wichtiger Grund für die Absage besteht darin, dass es keinen dringenden Grund gibt, Geld für die Abwehrraketen in Polen und den Radar auszugeben." Margelow verwies darauf, dass Obama schon im Wahlkampf erklärte habe, dass die USA das Projekt überprüfen werden. Ein Grund für die Absage des Raketenschirms in Polen sei aber auch die kompromisslose Haltung Moskaus gewesen, meinte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses. Die Nuklear-Parität zwischen den USA und Russland sei für Moskau ein "Fundament der Sicherheit"

"Thüringer Allgemeine"

Teilen in sozialen Netzwerken
Bücher
Foto