4. July 2009

Keine Spur von „Obamania“ in Moskau

Gipfel. Besuch von Barack Obama in Moskau soll Verhältnis der USA zu Russland auflockern.

ULRICH HEYDEN MOSKAU (SN, n-ost). „Russland ist ein großes Land mit außerordentlichen Kultur und Traditionen.“ In einem Gespräch mit dem russischen Fernsehkanal Rossija fand Barack Obama Worte der Anerkennung für das Land, welches er ab Montag drei Tage besuchen wird. Kreml-Chef Dmitrij Medwedew sei ein „sehr nachdenklicher und progressiver Mensch“.

Mit dem TV-Interview, das heute, Samstag, in voller Länge ausgestrahlt werden soll, versuchte der US-Präsident, die Stimmung der Russen, die gegenüber den USA traditionell skeptisch bis ablehnend eingestellt sind, aufzulockern.

Bisher ist nicht viel davon zu spüren, dass ein in den USA und Europa als Reformer gefeierte Politstar nach Moskau kommt. Das offizielle Moskau zeigt sich steif. In Moskau treffen sich die Führer von zwei Weltmächten, so die offizielle Sprachregelung. Persönliches über Obama und seine Familie sucht man in den russischen Zeitungen vergeblich. Jeder Anflug von „Obamania“ soll vermieden werden. Ein Bad des US-Präsidenten in der Menge ist nicht vorgesehen, nur eine Rede vor Wirtschaftsstudenten.

Dmitrij Medwedew hatte die Russen in einem Video-Blog, aufgenommen nach US-Art vor dem Gemäuer der Präsidentenresidenz, auf das Treffen mit Obama eingestimmt. Unter dem bisherigen US-Präsidenten seien die Beziehungen zwischen Russland und den USA „fast auf das Niveau des Kalten Kriegs abgerutscht“, meinte der Kreml-Chef. Nun gehe es darum, eine „neue Seite“ der Beziehungen aufzuschlagen. Die neue US-Administration zeige, dass sie die Situation ändern, „effektivere, zuverlässigere und modernere Beziehungen“ zu Russland aufbauen wolle. Der Kampf gegen Terrorismus, Extremismus und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen könne nicht ein Land allein lösen. Von dem Verhältnis der USA und Russland hänge ab, „wie die Welt im nächsten Jahrzehnt aussieht“.

Für Premier Wladimir Putin, mit dem sich der US-Präsident am Dienstag zum Frühstück treffen will, gab es eher kritische Worte: Dieser hänge mit einem Fuß dem Althergebrachten – dem Kalten Krieg – an, während der andere dem Neuen folge.

Experten erwarten, dass Obama und Medwedew am Montag ein Rahmenabkommen über einen neuen Abrüstungsvertrag unterschreiben, der den Start-1-Vertrag über die Begrenzung strategischer Nuklearwaffen, der im Dezember dieses Jahres ausläuft, ersetzt. Ob es auf dem Gebiet der Abrüstung zu einer substanziellen Annäherung kommt, ist fraglich, denn Putin und Medwedew hatten die Frage der Abrüstung immer mit dem geplanten Raketenabwehrschirm in Polen und Tschechien verknüpft. Und auch Washington zeigte sich vor dem Treffen in Moskau unnachgiebig. Man werde mit den Russen „nicht handeln“, erklärte Obama-Berater Michael McFaul. Wenn Russland helfe, die Gefahr aus dem Iran zu stoppen, bedeute das für die USA nicht, dass man das Projekt des Raketenabwehrschirms fallen lasse.

Ein weiteres Hauptthema bei dem Treffen zwischen Obama und Medwedew wird die Energiepolitik sein. Obama-Berater Michael McFaul erklärte, es gehe darum, die Versorgung mit Energie auch aus Regionen außerhalb Russlands sicherzustellen. Der Gazprom-Konzern hatte verstärkt versucht, sich über Lieferverträge mit Gasförderern aus dem kaspischen Raum das Monopol über die Gaslieferungen nach Europa und Amerika zu sichern. Erst vor kurzem war ein Gasliefervertrag zwischen Gazprom und Aserbaidschan unterzeichnet worden. Obama-Berater McFaul meinte, ein derartiges Null-Summen-Spiel schade beiden Seiten.

Rechtzeitig zum Obama-Besuch machte Medwedew eine klima-politische Ankündigung, mit der man im Westen punkten kann: Um Energie zu sparen, werde Russland bald die Glühbirne verbieten.

"Salzburger Nachrichten"

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