21. January 2014

Klare Worte nach Kiew

Die Gewalt vom Sonntag verdeutlicht einmal mehr: Die EU braucht eine demokratische Ukraine als Partner

Regensburg (ots) - Die Demonstranten in Kiew wollen demokratische Verhältnisse, ohne Vetternwirtschaft und Korruption, visafreies Reisen in die EU und Einkommen von denen man leben kann. Sie sind überwiegend friedlich gestimmt. Das zeigten auch ihre selbst gebastelten Helme aus Kochtöpfen und anderem Küchengerät, mit denen sie am Sonntag auf dem Maidan, dem zentralen Platz in Kiew, gegen die vom Parlament beschlossene Verschärfung des Demonstrationsrechtes demonstrierten. Es wäre jedoch übertrieben, die Verschärfungen des Demonstrationsrechtes als Zeichen einer Diktatur zu deuten, wie es manche westliche Kommentatoren tun.

Auch in westlichen Hauptstädten kann man nicht ohne Genehmigung Bühnen und Zelte auf öffentlichen Plätzen aufbauen oder tagelang straflos öffentliche Gebäude blockieren. Dass Janukowitsch den Assoziierungsvertrag mit der EU auf Eis gelegt hat und einen Milliarden-Kredit aus Moskau bekommen hat, mag manchen ärgern, macht den ukrainischen Präsidenten aber noch nicht zum Diktator. Janukowitsch hat zwar nicht die Westukraine, aber einen Großteil der Bevölkerung in der Ost- und Südukraine hinter sich. An dieser Tatsache ändern auch die großen Kundgebungen in Kiew nichts.

Für Brüssel und Berlin gibt es jetzt Handlungsbedarf. Denn wenn die gleichen Demonstranten, die Polizisten mit Molotow-Cocktails bewerfen, sie am Boden liegend mit Knüppeln traktieren und - wie in der Nacht auf Montag geschehen - sogar einen Polizisten gefangen nehmen, hat das nichts mit europäischen Werten zu tun. Wenn gewalttätige Demonstranten neben den schwarz-roten Fahnen der in der Westukraine beheimateten rechtsextremen Organisation UNA-UNSO auch große EU-Fahnen schwenken, so ist spätestens jetzt für die Politiker der EU der Zeitpunkt gekommen, um vor der ukrainischen Bevölkerung einmal klar zu machen, dass der Zweck - der Sturz von Janukowitsch - nicht die Mittel heiligen kann.

Es gehört zur traurigen Realität der postsowjetischen Staaten, dass radikale Straßenproteste oft eher nationalistisch als links und demokratisch sind. Die EU hat schon genug Probleme mit eigenen nationalistischen Parteien. Sie braucht nicht noch mehr Nationalismus, wie ihn die rechtsextreme Partei Swoboda (Freiheit) und ihr Führer Oleg Tjagnibok vertreten, der im Juli 2004 vor seinen Anhängern gegen eine "jüdische Moskauer Mafia" hetzte, welche die Ukraine angeblich regiert. Die EU braucht eine demokratische Ukraine als Partner. Und das muss auch einmal öffentlich so gesagt werden.

Mit den Kiewer Gewalt-Exzessen von Sonntagnacht wird die EU nun kalt erwischt. Im Dezember besuchten viele europäische Spitzenpolitiker den Maidan, den von Demonstranten besetzten Platz in Kiew. Auch der ehemalige deutsche Außenminister Guido Westerwelle und die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton ließen sich von Vitali Klitschko über den Platz führen. Doch keiner der europäischen Politiker, die seit Dezember in der Ukraine waren, hat sich öffentlich von Tjagnibok und seinen gewaltbereiten Fußvolk abgegrenzt oder zumindest ermahnende Worte geäußert.

Dass nun die behelmten Sturmtruppen der Partei Swoboda, die bis 2004 noch "Sozial-nationale Partei der Ukraine" hieß, mit Molotow-Cocktails, Steinen und Knüppeln gegen Polizisten - als Vertreter des verhassten Moskau-freundlichen Establishments - kämpfen, kommt für Kenner der Ukraine nicht überraschend. Die offenbar gut vorbereiteten Gewalt-Exzesse zielen auf Destabilisierung und Chaos. Doch das nützt weder den Ukrainern noch Europa.

veröffentlicht in: Mittelbayerische Zeitung

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