23. July 2008

Moskau sieht seine Felle davonschwimmen

Russland wertet die Verhaftung Karadzics als Indiz für schwindenden Einfluss auf dem Balkan.

Moskau kann es noch nicht fassen, mit welcher Schnelligkeit Belgrad sich auf EU-Kurs begibt. Die Verhaftung Radovan Karadzics ist für den Kreml untrügliches Zeichen, dass man auf dem Balkan weiter an Einfluss verliert. Gegenüber dem Kriegsverbrecher- Tribunal in Den Haag ist man höchstmisstrauisch. „Die serbische Führung soll selbst über Karadzics Schicksal entscheiden, auch über seine Auslieferung an das Kriegsverbrecher- Tribunal in Den Haag“, hieß es in einer Mitteilung des Außenministeriums.

Das Außenamt erklärte, das Tribunal in Den Haag müsse alle noch offenen Strafverfahren den Justizorganen der Länder von Ex-Jugoslawien übergeben. Russlands NATO-Botschafter Dmitri Rogosin forderte, dass in Den Haag auch jene auf die Anklagebank kommen sollten, die die „Demokratisierung“ des Balkans und Bombenangriffe auf unschuldige Menschen befohlen hätten. Das russische Fernsehen berichtete zwar über die Karadzic zur Last gelegten Verbrechen. Man zeigte alte Filmaufnahmen, wie Scharfschützen friedliche Bürger in Sarajevo auf der Straße töten. Doch die Frage der Schuld lassen die russischen Kommentatoren offen. „Die Schuld von Karadzic ist nicht belegt“, bemerkt das Nachrichtenprogramm„ Vesti“. Karadzic ist in den Augen vieler Russen immer noch ein serbischer Patriot. Über die Massaker an Muslimen haben die russischen Medien kaum berichtet, viel dagegen über die Zerstörung serbischer Kirchen im Kosovo. Der Kanal ORT stellt Karadzic als „Arzt, Poet, Politiker und Präsident von Serbisch-Bosnien“ vor. Karadzic als Kriegsverbrecher zu bezeichnen, vermeidet man. Für Moskau wird die Lage allmählich ungemütlich. Seit die neue serbische Regierung einen strikten Pro-EU-Kurs fährt, gibt es außer ein paar Ultranationalisten in Belgrad niemanden mehr, mit dem Moskau slawische Brüderschaft pflegen kann. Der serbische Außenminister Vuk Jeremic forderte bereits die Auslieferung der Ehefrau und des Sohnes von Milosevic. Mirjana Markovic und Marko Milosevic haben in Russland politisches Asyl erhalten.

Salzburger Nachrichten

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