Neue Wendung im Agenten-Krimi
Moskau – Der Skandal in den USA um die angeblichen zehn russischen Agenten nimmt eine erneute überraschende Wende. Wie der Kreml-kritische Radiosender „Echo Moskau“ berichtete, wurde ein erster Kandidat für den geplanten Agenten-Tausch gestern nach Wien überstellt.
Es handelt sich um den russischen Wissenschaftler Igor Sutjagin. Er arbeitete am Moskauer USA-Kanada-Institut und hatte öffentlich zugängliche Informationen an eine westliche Firma weitergegeben, die mit dem amerikanischen Geheimdienst zusammenarbeiten soll. 2004 wurde Sutjagin wegen der Weitergabe von Staatsgeheimnissen zu 15 Jahre Arbeitslager verurteilt. Eine offizielle Bestätigung für die Ausreise des Wissenschaftlers gibt es bisher jedoch weder von russischer Seite noch von einem westlichem Staat.
Russland hat den ersten Kandidaten für die geplante Agenten-Austausch-Aktion offenbar mit Bedacht gewählt. Russische Menschenrechtler halten Sutjagin für unschuldig. Auch die angebliche russische „Top-Spionin“ und „Sex-Bombe“ Anna Chapman, die nach Angaben von „Radio Echo Moskau“ in Kürze von New York nach Moskau ausgeflogen werden soll, ist nach Meinung Kreml-naher Sicherheitsexperten unschuldig. Die 28-jährige arbeitete in New York als Immobilienmaklerin. Wjatscheslaw Serkow, der mit Anna in Wolgograd zu Schule ging und mir ihr ein Verhältnis hatte, erklärten gegenüber der Moscow Times, Anna sei eine Geschäftsfrau und keine Agentin. Sie sei warmherzig und immer schon ein bisschen verschlossen gewesen.
Sowohl bei Anna Chapman als auch Igor Sutjagin handelt es sich offenbar nicht um typische Spione, die sich in höchste staatliche Positionen einschleichen, sondern um Personen, die durch unglückliche Umstände in die Mühle der Sicherheitsorgane geraten sind. US-Medien hatten berichtet, dass den angeblichen russischen Spionen, die Ende Juni in den USA verhaftet wurde, nahe gelegt wurden, geringfügige Vergehen einzugestehen. Dies würde die Abschiebung erleichtern, da diese Vergehen mit einige Wochen Haft bereits abgegolten wären.
Nach dem Bericht der russischen Tageszeitung „Kommersant“ sollen neben Sutjagin auch andere wegen Spionage für westliche Gemeindienste verurteilte russische Staatsbürger ausgetauscht werden. Eine derart große Austauschaktion hat es nach Meinung von russischen Militärexperten bisher noch nicht gegeben, auch nicht zu Zeiten der Sowjetunion.
Die Verhaftung der zehn angeblichen russischen Agenten, die nur vier Tage nach dem Treffen zwischen Obama und Medwedew vom FBI vollzogen wurde, belastet die amerikanisch-russischen Beziehungen, und sowohl Moskau als auch Washington sind offenbar an einer schnellen und schmerzlosen Lösung des Problems interessiert.
Russische Sicherheitsexperten hatten die These aufgestellt, der Agentenskandal in den USA sei von Gegnern Obamas in den US-Sicherheitskreisen ausgelöst worden. Damit sollte die Position von Obama geschwächt werden, der sich zu sehr an Russland annähere.
"Südkurier"