4. March 2009

Neuer Prozess gegen Russlands Häftling Nr. 1

Von SZ-Korrespondent Ulrich Heyden, Moskau

Der frühere Öl-Milliardär Chodorkowski muss sich wegen Unterschlagung und Geldwäsche verantworten.

Als Michail Chodorkowski gestern im schwarzen Mantel und Jeans zum Gericht geführt wurde, rief er „Posor!“ (Schande). Durch das Metallgitter vor dem Gebäude warf ihm jemand ein paar Nelken zu. Demonstranten riefen „Freiheit für politische Gefangene!“

Im Gerichtssaal wurde der ehemalige Chef des Ölkonzerns „Yukos“ zusammen mit dem mitangeklagten früheren Geschäftspartner Platon Lebedew schnell in den für die Angeklagten vorgesehenen Glaskäfig gesperrt, der eine Kontaktaufnahme mit Journalisten unmöglich macht. Es war unklar, ob er die Fragen durch die Glaswand verstand. Die Öffentlichkeit wurde kurz nach Beginn der Anhörung im zweiten Chodorkowski-Prozess ausgesperrt. Die 150 akkreditierten Journalisten können das Verfahren nur über drei Fernsehbildschirme verfolgen.

Bei dem zweiten Verfahren gegen den Ex-Milliardär, dessen Ölkonzern vom Staat zerschlagen worden war, lautet die Anklage jetzt auf Unterschlagung und Geldwäsche. Die beiden früheren „Yukos“-Manager sollen 20 Milliarden Euro unterschlagen und 17 Milliarden Euro „gewaschen“ haben. Als Strafe drohen den Angeklagten Haftstrafen von über 20 Jahren. Die Anwälte rechnen damit, dass das Verfahren ein halbes Jahr dauert.

Zwiespältige Reaktionen

Die Reaktionen der russischen Öffentlichkeit ist zwiespältig. Anhänger von Ministerpräsident Wladimir Putin sind froh, dass wenigstens einer der „Räuber“ aus den wilden 1990er-Jahren, als das Staatseigentum für wenig Geld verscherbelt wurde, hinter Gittern sitzt. Dagegen argumentieren die russischen Liberalen, so schwer könnten die Vorwürfe gegen Chodorkowski gar nicht wiegen. In den 1990er-Jahren seien praktisch alle Unternehmer auf die eine oder andere Art mit dem Gesetz in Konflikt geraten.

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