Putin bleibt den Russen erhalten
Überraschungscoup im Kreml: Der Staatspräsident macht als Ministerpräsident weiter
Am Dienstag hatte Putins Kronprinz Dmitri Medwedew seinen ersten großen Auftritt als "Fast-Präsident". Um 15 Uhr Moskauer Zeit verlas der dem liberalen Flügel im Kreml zugerechnete Vize-Ministerpräsident und Vorsitzende des Gazprom-Aufsichtsrates in den Nachrichten des Fernsehkanals ORT eine Erklärung. Medwedew hatte sich dabei mit den Symbolen der Macht umgeben, der russischen Trikolore, einem weißen Telefon und links von ihm - auf einer kleinen Säule - dem goldenen Doppeladler, eigentlich das Symbol des Präsidenten. Seine Hände waren artig gefaltet, sein Blick in die Kamera gerichtet. Er las die Worte offenbar von einem Teleprompter ab.
Medwedew lobte die wirtschaftlichen Erfolge der letzten Jahre. "Wir leben nicht mit Schulden, sondern mit eigenen Mitteln." Russlands Rolle in der Welt habe sich geändert. "Man erzieht uns nicht mehr wie einen Schuljungen". Dann kam die Überraschung: "Ich meine, es ist prinzipiell wichtig für unser Land, dass auf dem wichtigsten Posten der Exekutive - dem Amt des Premiers - Wladimir Wladimirowitsch Putin sitzt." Dies sei wichtig, um die Handlungsfähigkeit der Regierung und den von Putin "Ende der 90er Jahre" eingeschlagenen Kurs fortzusetzen.
Schon auf dem Parteikongress der Partei "Einiges Russland" Anfang Oktober hatte Putin angedeutet, er könne das Amt des Ministerpräsidenten übernehmen, wenn die Partei ein gutes Wahlergebnis erreiche und ein "würdiger" Nachfolger gefunden sei. Beide Bedingungen sind nach dem Erfolg der Putin-Partei bei den Duma-Wahlen Anfang Dezember und der Ernennung Medwedews zum designierten Präsidenten erfüllt.
Der Chefredakteur von "Moskowskije Nowosti", Witali Tretjakow, ist sich sicher, dass durch die neue Machtstruktur Putin als Premier in den nächsten Jahren mehr Macht bekommen wird als der designierte Präsident Medwedew. KP-Chef Gennadi Sjuganow meinte, er erwarte, dass die Regierung nach den Präsidentschaftswahlen von den in der Duma vertretenen Parteien gebildet und die Verfassung geändert wird. Bisher wurden alle Minister vom Kreml-Chef ernannt.
Der Jurist Medwedew kommt aus einer St. Petersburger Professoren-Familie. Wenn der 42-Jährige am 2. März zum Präsidenten gewählt wird, wäre er der jüngste Staatsführer, den Russland je hatte. Der amtierende Vizepremier macht schon mal einen Witz, legt sonst aber Wert auf korrekte Sprache und gutes Benehmen. Über seine persönlichen Hobbys und Vorlieben weiß die Öffentlichkeit fast nichts. Einmal verriet er mit bubenhaftem Grinsen, in seiner Jugend sei er Fan von Deep Purple und Black Sabbath gewesen. Das war dann aber auch schon alles. Ansonsten sah man Medwedew im Fernsehen am Vorstandstisch von Gazprom und bei Besuchen in Schulen und landwirtschaftlichen Betrieben.
Bei Gazprom arbeitete Putins Kronprinz eng mit Gerhard Schröder zusammen. Medwedew schrieb auch das Vorwort für die russische Ausgabe von Schröders neuem Buch. Mit Frank-Walter Steinmeier verbindet Medwedew eine gute Bekanntschaft. Putin und seine schnoddrige und oft eiskalte Art bleiben Russland aber erhalten. Die Geheimdienstfraktion im Kreml dürfte mit der gefundenen Lösung fürs Erste zufrieden sein.
"Südkurier"