Russland gibt Geheimdienst mehr Befugnisse
Von Ulrich Heyden, SZ-Korrespondent in Moskau
Mitarbeiter des FSB dürfen bei einem Verdacht Bürger zum Gespräch vorladen und eine offizielle Verwarnung aussprechen.
Ungeachtet der Proteste von Menschenrechtlern und Vertretern der außerparlamentarischen Opposition hat der russische Föderationsrat gestern ein Gesetz gebilligt, das dem Inlandsgeheimdienst FSB mehr Befugnisse gibt. Mitarbeiter des Dienstes erhalten das Recht, Bürger vorzuladen und „offizielle Verwarnungen“ auszusprechen.
Anlass für eine Verwarnung sind „Tätigkeiten, welche die Bedingungen für die Verübung von Straftaten schaffen“. Bürgern, die der Vorladung keine Folge leisten, drohen 15 Tage Haft oder Geldstrafen von 50000 Rubel (umgerechnet rund 1300 Euro) rechnen.
Der stellvertretende Leiter des Komitees für Verteidigung und Sicherheit des russischen Föderationsrates, Jewgeni Serebrennikow, erklärte, das Gesetz sei aktuell wichtig, „im Kampf gegen Terrorismus und Extremismus, welche zu einem Ansteigen der sozialen Spannungen führen, insbesondere in der Jugend“. Warum es zwischen terroristischen Aktivitäten und sozialen Spannungen einen Zusammenhang gibt, erklärte der Abgeordnete nicht. Serebrennikow erklärte jedoch, die Kritik der Bürgerrechtler sei berücksichtigt worden. Jeder Bürger habe die Möglichkeit, eine Verwarnung juristisch anzufechten.
Mit dem Gesetz sollen „Unzufriedene, Andersdenkende und Kritiker der Staatsmacht eingeschüchtert werden“, heißt es in einem offenen Brief, den 80 Bürgerrechtler an Staatspräsident Dmitri Medwedjew geschickt hatten. Kritik äußerte auch Wladimir Lukin, Menschenrechtsbeauftragter der Regierung. Er sprach von einem „der gefährlichsten Gesetze“, das das Rechtssystem Russlands zerstöre.
"Sächsische Zeitung"